Politik an der Jahreswende – MdB Dr. Bärbel Kofler in Vachendorf

Porträtfoto von Dr. Bärbel Kofler

26. Januar 2016

Die Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Dr. Bärbel Kofler berichtet zur Asyl- und Flüchtlingsproblematik und weiteren, hochaktuellen Themen

Agnes Göhle, SPD-Ortsvorsitzende in Vachendorf, konnte im Gasthaus zur Post neben der Kreisvorsitzenden Dr. Bärbel Kofler, die seit 2004 Mitglied im Bundestag ist, auch Bürgermeister Schroll, einige Gemeinderätinnen sowie rund 20 Gäste begrüßen, darunter auch einige jüngere.

Die Referentin begann ihre Ausführungen mit der Asyl- und Flüchtlingsproblematik, die sie aus eigener Anschauung in Freilassing beim Eintreffen der Flüchtlinge und aus Kontakten zu ehren- und hauptamtlichen Helfern in der Asylbetreuung kenne, aber auch als entwicklungspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag.

Die Bundesregierung habe eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Herausforderungen von mehr als 1 Million Flüchtlingen zu bewältigen, so dass eine geordnete und humane Unterbringung der Flüchtlinge möglich sei , aber auch eine schnellere Rückführung jener, die aus sicheren Herkunftsländern kämen – das jedoch brauche seine Zeit. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werde auf Drängen der SPD 3000 neue Stellen für Entscheider schaffen. Klar sei auch, dass die Bundesrepublik Deutschland an Grenzen der Leistungsfähigkeit kommen werde, wenn in diesem Jahr nochmals 1 Million Flüchtlinge Deutschland um Aufnahme bäten.

2016-01-26 Veranstaltung Kofler
v.l.n.r.: Bgm Rainer Schroll, MdB Dr. Bärbel Kofler und Agnes Göhle

Daher sei es wichtig, die Ursachen für die Flucht dieser Menschen zu bekämpfen. „Wir brauchen eine Entschärfung der Krisenherde und Stabilisierung der betroffenen Staaten", so Kofler. Die unmittelbare Fluchtursache sei der Krieg in Syrien und der Terror des IS. Die für Ende Januar 2016 geplante Konferenz aller Beteiligten wolle den Friedensprozess vorantreiben. Außerdem sei eine Vereinbarung mit der Türkei geplant, wo mehr als 2 Million Flüchtlinge grenznah, aber oft nur notdürftig in Zelten untergebracht seien. Ebenso hätten auch Jordanien und Libanon mehr als 1 Million Flüchtlinge aufgenommen.

Beschämend sei dagegen der rassistische Nationalismus in vielen europäischen Ländern. Es sei auch rechtlich keineswegs einfach, Flüchtlinge schnell und rechtmäßig zurückzuschicken, denn viele hätten nach der Genfer Flüchtlingskonvention Anspruch auf ein Bleiberecht, wenn auch zunächst nur auf ein zeitlich begrenztes. Für die Bewältigung des Flüchtlingsproblems werden den Kommunen 2015/16 zunächst 10 Mrd. Euro vom Bund zur Verfügung gestellt, u.a. für Unterkünfte, Integrationskurse und frühzeitige Verbesserung der Chancen auf einen Arbeitsplatz (Arbeitsintegration). Notwendig sei sodann eine korrekte Registrierung und ein Flüchtlingsausweis zur besseren Abgleichung der Daten, um einen Missbrauch der staatlichen Leistungen zu verhindern.

Wenn die CSU von einer Obergrenze von 200.000 rede, verkenne sie wohl bewusst, dass unsere Grenzen von rd. 3.800 km nicht lückenlos zu kontrollieren seien – man müsste denn alle 100 m einen Grenzposten aufstellen. Grund für die abgelehnten Transitzonen im Spätherbst sei für die Bundesregierung gewesen, dass es schier unmöglich sei, Zigtausende an der Grenze unterzubringen, zu kontrollieren und zu schützen. Dies gelte inzwischen auch für die von Klöckner in die Diskussion gebrachten Grenzzentren. Der Terror von Paris im November und die Übergriffe in Köln in der Silvesternacht seien kriminelle Taten, die umgehend geahndet werden müssen. Schäbig sei es aber, alle Flüchtlinge solcher Taten zu verdächtigen, die selbst Opfer von Terror, Gewalt und sexuellen Übergriffen seien und davor flüchten mussten. Allen ehrenamtlichen Helfern sowie der Grenzpolizei, den Beamten und Angestellten der Kommunen sprach Dr. Kofler ihren Dank und Respekt für deren Arbeit aus.

Bei „Steuern und Finanzen" stellte die Abgeordnete zunächst fest, dass nicht nur Steuerhinterziehung, sondern auch legale Steuertricks zu bekämpfen seien. Obwohl die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werde, stemme sich die Union gegen eine Vermögenssteuer. Selbst bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Reform der Erbschaftssteuer sei die CSU gegen die vom Finanzminister vorgelegten Pläne, obwohl darin eine großzügige Berücksichtigung privaten Vermögens von Firmenerben und die Erhaltung von Arbeitsplätzen in Familienbetrieben garantiert werden.

Wer Besitz oder Vermögen erbe, habe große Freibeträge, z.B. je Kind 400.000 Euro alle 10 Jahre. Wenn Konzerne ihre Gewinne in Steuerparadiese verlagern, gehen dem Staat jährlich Milliarden verloren, die für Bildung oder die Modernisierung vieler Bereiche benötigt werden.

Zur Steuergerechtigkeit gehöre auch, dass alle arbeitenden Menschen am Wirtschaftswachstum gerecht beteiligt und entsprechend entlohnt werden müssen. Bei der Steuerdiskussion gebe es leider in der Öffentlichkeit viele irreführende Behauptungen und Auffassungen, ja geradezu Steuermythen sowie Halb- und Unwahrheiten.

Die Einführung des Mindestlohns 2015 sei eine Erfolgsgeschichte. Frühere Horrorszenarien seien alle in sich zusammengebrochen, denn 3,7 Millionen erhalten nun den Mindestlohn von 8,50 Euro, 688.000 sozialversicherungspflichtige Jobs seien entstanden und 50.000 Menschen müssten ihren Lohn nicht mehr vom Staat aufstocken lassen. Werkverträge und Leiharbeit würden oft missbraucht, um Streiks zu brechen und Löhne zu drücken, so die Referentin. Dadurch entstünden Arbeitnehmer 1. und 2. Klasse. Um mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von Werkverträgen und Leiharbeit herzustellen, werde die SPD dafür eintreten, Betriebsräte besser zu informieren und die Überlassungshöchstdauer für Leiharbeit auf 18 Monate einzuführen, so dass die Stammbelegschaft nicht verdrängt werde.

Nach 9 Monaten müssten Leiharbeiter genauso viel verdienen wie die Belegschaft. In einem Entgeltgleichheitsgesetz soll zudem gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt werden, d.h. Frauen und Männer müssen gleich entlohnt werden. Seit dem 1. Januar 2016 gilt schon, dass 30% der neu zu besetzenden Aufsichtsräte in börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mit Frauen besetzt werden.

In der folgenden Diskussion ging es u.a. um die gerechte Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands und in der EU, wo schon die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen wenig erfolgreich sei. Agnes Göhle erwähnte das Problem der Rückführung nach Marokko, da kein Abkommen mit diesem Staat über die Rücknahme bestehe. Marlies Kruse erinnerte daran, dass viele Flüchtlinge Geld zu ihren Familien in die Heimat schicken müssen. Für Armutsflüchtlinge müsste die Union sich bereitfinden, einem Einwanderungsgesetz zuzustimmen, so Dr. Kofler. Dann wurden auch Mängel bestehender EU-Gesetze genannt, dass z.B. ärmere europäische Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland, die vor allem mit einer enormen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen hätten.

Auch die EU-Regelung, dass das Land, in dem der Flüchtling ankomme, für diesen verantwortlich sei, müsse so geändert werden, dass alle EU-Staaten Verantwortung für die Flüchtlinge tragen sollten. Die Außengrenzen der EU zu schützen, sei eine Aufgabe aller Staaten, denn Griechenland, Italien und Spanien seien überfordert.

Zum Thema Steuerhinterziehung forderte ein Gast, dass mehr Finanzbeamte eingesetzt werden müssten. Ein anderer meinte, dass die Erbschaft ein leistungsloses Einkommen sei. Eine gerechtere Besteuerung müsse hier ins Auge gefasst werden, denn der Steuersatz für Erbschaft betrage durchschnittlich nur 5%, hingegen steige die Lohn- und Einkommenssteuer sehr schnell auf 42 bis 45%, das sei ungerecht.

Zum Schluss wurde noch bemerkt, dass die hohen Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge nicht durch höhere Steuern für die kleinen Leute – wie eine Benzinsteuer, die Finanzminister Schäuble ins Gespräch gebracht habe -, sondern von jenen zu leisten seien, die durch gut Geschäfte mit den Flüchtlingen hohe Gewinne machen werden.

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